Auswirkungen der Kapitalverkehrsfreiheit auf die Erbschaftsteuer
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) zur Klärung gemeinschaftsrechtlicher Fragen angerufen, die den Ausschluss des in einem Drittstaat befindlichen Betriebsvermögens von erbschaftsteuerrechtlichen Begünstigungen für inländisches Betriebsvermögen betreffen.
Die Klägerin des Ausgangsverfahrens ist die Alleinerbin ihres 2007 verstorbenen Vaters. Zum Nachlass gehörte u.a. eine Beteiligung des Vaters als Alleingesellschafter an einer kanadischen Kapitalgesellschaft. Das Finanzamt (FA) setzte Erbschaftsteuer ohne Berücksichtigung der für Anteile an einer Kapitalgesellschaft mit Sitz oder Geschäftsleitung im Inland in § 13a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Abs. 2 des Erbschaftsteuergesetzes (Fassung 2007) ErbStG vorgesehenen Begünstigungen (Freibetrag 225.000 und verminderter Wertansatz von 65%) fest.
Die steuerliche Behandlung von Erbschaften fällt nach ständiger Rechtsprechung des EuGH unabhängig von der Art und Zusammensetzung des übergehenden Vermögens unter die Vertragsbestimmungen über den Kapitalverkehr. Danach liegt ein Verstoß gegen die Freiheit des Kapitalverkehrs vor, wenn Steuervergünstigungen auf Erbschaften nur für Inlands-, nicht jedoch für Auslandsvermögen gewährt werden. Im Hinblick darauf sprechen nach Ansicht des BFH gute Gründe dafür, dass eine Erbschaft auch insoweit in den Schutzbereich der Kapitalverkehrsfreiheit fällt, als sich darin Anteile an einer ausländischen Kapitalgesellschaft befinden. Dies ist auf Ersuchen des BFH vom EuGH bereits für Betriebsvermögen im EU-Ausland so entschieden worden (EuGH-Urteil vom 17. Januar 2008 C256/06, Jäger, Slg. 2008, I123, BFH/NV Beilage 2 2008, 120). Dem hat der Gesetzgeber im Rahmen der Neuregelung der erbschaftsteuerrechtlichen Betriebsvermögensbegünstigungen ab 2009 Rechnung getragen. Anteile an einer Kapitalgesellschaft, die Sitz oder Geschäftsleitung weder im Inland noch in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraums hat, gehören aber weiterhin nicht zum begünstigten (Betriebs-) Vermögen.
Der BFH ist nunmehr der Auffassung, dass Art. 56 Abs. 1 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EG) in gleicher Weise auch für Betriebsvermögen in Drittstaaten gelten müsse. Denn nach Art. 56 Abs. 1 EG sind alle Beschränkungen des Kapitalverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten sowie zwischen den Mitgliedstaaten und dritten Ländern verboten.
Ob dieser Rechtsstandpunkt zutrifft, kann aufgrund der bisherigen Rechtsprechung des EuGH nicht mit hinreichender Sicherheit beurteilt werden und bedarf daher der Klärung durch den EuGH.
Quelle: BFH Beschluss vom 15.12.2010 Az. II R 63/09
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