Das kommt: Steuervereinfachungsgesetz 2011
Der Deutsche Bundestag hat am 9. Juni 2011 das Steuervereinfachungsgesetz 2011 beschlossen. Der Bundesrat wird voraussichtlich am 8. Juli über das Gesetz entscheiden. Weil einige Änderungswünsche der Länderkammer bereits berücksichtigt wurden, ist davon auszugehen, dass das Gesetz in der beschlossenen Fassung in Kraft treten wird.
Mit dem Steuervereinfachungsgesetz 2011 soll das Besteuerungsverfahren vereinfacht und modernisiert werden. Einige Änderungen wie beim Kindergeld sind sehr begrüßen, andere wie die zweijährige Abgabe von Steuererklärungen wurden von den Sachverständigen in der Anhörung vor dem Finanzausschuss nahezu einstimmig abgelehnt.
Nachfolgend einige der relevanten Änderungen für Arbeitnehmer und Familien:
Steuererklärung alle zwei Jahre
Die Änderung wurde nach Einschätzung des NVL aus politischen Gründen angestrebt und von Sachverständigen aus der Beratungspraxis und der Finanzverwaltung in breiter Front abgelehnt. Der Steuerpflichtige muss weiterhin zwei Steuererklärungen auf unterschiedlichen Vordrucken abgeben und Rechtsänderungen von einem zum anderen Jahr beachten. Im Aufschub der Abgabe, die gleichzeitig mit der Steuererklärung für das zweite Jahr erfolgen kann, ist keine Vereinfachung zu erkennen. Wer eine Erstattung erwartet, wird ohnehin seine Steuererklärung frühzeitig einreichen. Die neue Regelung kann zudem nur von Arbeitnehmern und Rentnern mit begrenzten Nebeneinkünften in Anspruch genommen werden und ist beim Finanzamt separat zu beantragen.
Anhebung des Arbeitnehmer-Pauschbetrages
Die Anhebung des Arbeitnehmer-Pauschbetrages auf 1.000 , die bereits im Dezember dieses Jahres zum Ansatz kommt, ist für die Steuerzahler keine Vereinfachung. Auch bei geringeren Werbungskosten gilt es weiterhin, Belege sammeln, da am Jahresanfang nicht feststeht, ob der Pauschbetrag überschritten wird oder nicht.
Von der Steuerentlastung durch den höheren Pauschbetrag von ein bis drei Euro im Monat profitiert nur etwa die Hälfte aller Arbeitnehmer, die geringe Werbungskosten haben. Alle übrigen gehen leer aus. Nach Auffassung des NVL ist jedoch gerade für sie auf Grund gestiegener Kosten ein Inflationsausgleich beispielsweise bei der Entfernungspauschale geboten. Die Anhebung des Arbeitnehmer-Pauschbetrags ist deshalb eine falsche Weichenstellung.
Einschränkungen für Pendler mit unterschiedlichen Verkehrsmitteln
Pendler, die öffentliche Verkehrsmitteln und den eigenen PKW nutzen, müssen Einschränkungen hinnehmen. Bisher konnten sie höhere Kosten für Tickets geltend machen, wenn diese mehr als 30 Cent für die Entfernungskilometer der Strecke mit öffentlichen Verkehrsmitteln betrugen. Ab dem kommenden Jahr ist die Vergleichsrechnung als Jahresrechnung für alle Fahrkilometer zusammen durchzuführen. Gerade Pendler, die park&ride nutzten und am Rande von Ballungsgebieten zunächst mit dem PKW fahren müssen, werden dann weniger Werbungskosten geltend machen können. Die als Vereinfachung begründete Einschränkung wird deshalb vom NVL kritisiert, zumal gleichzeitig Arbeitnehmer ohne Werbungskosten entlastet werden.
Vereinfachungen bei den Kinderbetreuungskosten
Die bisher unterschiedlichen Voraussetzungen für den Abzug von Betreuungskosten wie Berufstätigkeit, Ausbildung oder Krankheit der Eltern werden ab 2012 entfallen. Dadurch wird der Antrag zum Abzug von Kinderbetreuungskosten erheblich vereinfacht. Bisher muss eine ganze Seite Steuererklärungsformular ausgefüllt werden, zukünftig dürften zwei bis drei Zeilen ausreichen. Der Vorschlag entlastet Familien und Finanzverwaltung von Bürokratie, außerdem kommen mehr Eltern in den Genuss des Abzugs.
Eine weitere Änderung stellt sicher, dass die Neuregelung keine Erhöhung der Betreuungskosten selbst bewirkt. Viele Kindergärten und andere Betreuungseinrichtungen berechnen die Gebühren aus den Einkünften der Eltern. Die Gesetzesänderung schreibt vor, dass die als Sonderausgaben zu berücksichtigenden Kinderbetreuungskosten von den Einkünften abzuziehen sind, wenn diese Beträge für außersteuerliche Zwecke herangezogen werden.
Kindergeld: Wegfall der Einkommensprüfung für volljährige Kinder
Für volljährige Kinder müssen Eltern ab dem kommenden Jahr nicht mehr die Einkünfte und Bezüge des Kindes nachweisen, um in den Genuss von Kindergeld und Freibetrag zu kommen. Der Wegfall der bisher oft sehr aufwändigen Nachweise entlastet Eltern, Familienkassen und Finanzämter gleichermaßen. Bis zum Abschluss von Erstausbildung und Erststudium können alle Eltern Kindergeld erhalten. Erst bei weitergehenden Ausbildungen der Kinder gilt eine Einschränkung. Das Kindergeld entfällt, wenn neben der Ausbildung eine Erwerbstätigkeit von mehr als 20 Wochenstunden ausgeübt wird. Weil es auf die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit ankommt, sind Ferienjobs weiterhin unschädlich.
Mit dem Wegfall der Einkünfteprüfung erhalten auch mehr Eltern einen Ausbildungsfreibetrag. Dieser wird für volljährige Kinder gewährt, die während der Ausbildung auswärts untergebracht sind.
Kindergeld: Änderung bei der Übertragung von Kinderfreibeträgen
Mit dem Kind allein lebende Eltern und Eltern in Patchworkfamilien können sich die halben Freibeträge für Kinder des anderen Elternteils übertragen lassen, wenn dieser seinen Unterhaltspflichten nicht nachkommt. Das war bisher allerdings nicht möglich, wenn der andere Elternteil mangels finanzieller Leistungsfähigkeit gar nicht unterhaltspflichtig war. Nach der Gesetzesänderung können sich Eltern auch in diesen Fällen die Freibeträge übertragen lassen. Allerdings profitieren davon nicht alle Eltern, weil im Gegenzug das gesamte Kindergeld auf den Steuervorteil angerechnet wird.
Eine Einschränkung erfolgte beim Betreuungsfreibetrag. Bisher können sich Eltern den halben Freibetrag vom anderen Elternteil übertragen lassen, wenn das Kind nur bei ihnen gemeldet ist. Zukünftig kann der andere Elternteil der Übertragung widersprechen, wenn er trotz fehlender Meldung das Kind zeitweise betreut oder Kosten hierfür trägt. Das mag zwar im Einzelfall gerecht sein, dürfte aber gerade bei der Beurteilung zum Umfang der erforderlichen Betreuung aufwändig und streitanfällig im Nachweis sein und wird das Steuerrecht verkomplizieren.
Wegfall der Angabe von Kapitaleinkünften im Mantelbogen der Steuererklärung
Trotz Abgeltungsteuer müssen viele Steuerpflichtige bisher ihre Kapitalerträge in der Steuererklärung angeben. Wer außergewöhnliche Belastungen wie Krankheitskosten geltend macht, kommt um diese Angaben nicht umhin, weil Einkünfte aus Kapitalvermögen bei der Berechnung der zumutbaren Eigenbelastung mit herangezogen werden. Das wird zukünftig nicht mehr erforderlich sein. Die zumutbare Belastung sinkt deshalb für Steuerzahler mit Abgeltungsteuer. Wer allerdings bei geringem Einkommen über die Günstigerprüfung seine Kapitaleinkünfte individuell besteuern lässt, muss sich diese bei der zumutbaren Eigenbelastung weiterhin anrechnen lassen. Der NVL kritisiert diese Benachteiligung und hält neue Streitfälle für sehr wahrscheinlich.
Veranlagungsrecht für Ehegatten
Die Wahl von Ehegatten, ihre Steuererklärung gemeinsam oder einzeln abzugeben, sollte nach dem ursprünglichen Gesetzentwurf bereits mit Einreichung beim Finanzamt bindend sein. Ein Irrtum hätte Ehepaaren viel Geld kosten können. Zukünftig können sie die Veranlagungswahl wie bisher mit einem Einspruch gegen den Steuerbescheid noch ändern. Ebenso kann die Veranlagungsart nach einer späteren Bescheidkorrektur, beispielsweise wenn Beteiligungseinkünfte nachträglich berücksichtigt werden, noch geändert werden. Einwände von Sachverständigen gegen die ursprünglich vorgesehene Regelung wurden somit berücksichtigt.
Vermietung: Wegfall einer Totalüberschussprognose bei verbilligter Vermietung
Wer seinen Wohnraum bisher zwischen 56 und 75 Prozent der ortsüblichen Vergleichsmiete vermietet, muss gegenüber dem Finanzamt für einen Zeitraum von 30 Jahren eine positive Überschussprognose nachweisen. Anderenfalls werden die Werbungskosten anteilig gekürzt. Diese Regelung wird ab 2012 entfallen. Werden mindestens 66 Prozent der ortsüblichen Miete erhoben, sind auch die Ausgaben voll abzugsfähig.
Krankheitskosten: Aufhebung der BFH-Rechtsprechung zu erleichtertem Nachweis
Ganz zuletzt wurde im Gesetzgebungsverfahren in die Einkommensteuer-Durchführungsverordnung eine Regelung aufgenommen, wie die Notwendigkeit von Krankheitskosten zu belegen ist. Sie entspricht der bisherigen Auffassung der Finanzverwaltung, nach der beispielsweise bei einer Kur ein vorheriges amtsärztliches Attest einzuholen ist. Der Bundesfinanzhof hatte diese strengen Vorgaben in mehreren Urteilen gelockert und auch nachträgliche Nachweise durch andere medizinische Sachverständige als Nachweis anerkannt. Die Gesetzesänderung hebt diese Lockerung auf. Nach der Begründung des Gesetzgebers soll sie aber für Rechtssicherheit sorgen.
(NVL / Redaktion)
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