Muss der Bürger schlauer sein als der Zoll?
Mit dieser Frage musste sich jüngst das Finanzgericht Hamburg befassen (Urteil 4 K 63/11).
Der Kläger hatte über das Internet einen Blu-ray-Player zum Preis von rund 500 EUR bestellt. Bei Abholung des Gerätes beim Zollamt meldete er die Einfuhr ordnungsgemäß an. Der diensthabende Zollbeamte besprach sich mit einem Kollegen, gab die Daten in das EDV-System ein und setze gegenüber dem Kläger in einem mehrseitigen Einfuhrabgabenbescheid Abgaben in Höhe von 88,68 EUR fest.
Der Kläger zahlte diesen Betrag und verließ das Zollamt mit seinem Blu-ray-Player. Erst jetzt bemerkten die Zollbeamten, dass ihnen bei der Eingabe der Daten in das EDV-System ein Fehler unterlaufen war und dass sie gegenüber dem Kläger zu geringe Einfuhrabgaben berechnet hatten. Das Zollamt erhob deshalb vom Kläger Einfuhrabgaben in Höhe von weiteren 77,21 EUR nach und führte zur Begründung aus, dass der Kläger durch schlichtes
Nachlesen der einschlägigen Gesetzesvorschriften diesen Fehler bei der Berechnung der
Einfuhrabgaben hätte bemerken können; auf Vertrauensschutz könne er sich deshalb nicht
berufen.
Der in zollrechtlichen Angelegenheiten unbeholfene Kläger wandte sich hilfesuchend an das
Finanzgericht Hamburg, das seiner Klage stattgab. Die Richter führten im Urteil aus:
Der Kläger habe darauf vertrauen dürfen, dass die Zollbeamten über die erforderliche Sachkunde verfügen würden. Es sei lebensfremd und vom Kläger nicht zu verlangen, sich während der nur etwa 15 Minuten dauernden Zollabfertigung über die zutreffende Höhe der Einfuhrabgaben zu informieren. Abgesehen davon, dass die zollrechtlichen Bestimmungen dem Kläger im Zeitpunkt der Zollabfertigung nicht zur Verfügung gestanden hätten, könne vom Bürger nicht erwartet werden, dass er sich in den zollrechtlichen Bestimmungen, die nicht nur unübersichtlich und schwer verständlich seien, sondern jedes Jahr auch mehrere Tausend Seiten umfassten, besser auskenne als der Zoll.
(FG Hamburg / Redaktion)
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