Verfassungswidrige Absenkung der Wesentlichkeitsgrenze führt nicht zur Anerkennung eines fiktiven Veräußerungsverlustes
Mit Urteil vom 22. August 2013 (Az. 3 K 3371/11 E) hat das Finanzgericht Münster zur Berechnung eines Veräußerungsgewinns nach § 17 EStG unter Berücksichtigung der teilweise für verfassungswidrig erklärten Absenkung der Wesentlichkeitsgrenze auf 1% Stellung genommen.
Die Klägerin veräußerte einen GmbH-Anteil von 1,33%, den sie für rund 50.000 EUR erworben hatte, im Jahr 2008 für 150.000 EUR. Nachdem das Bundesverfassungsgericht am 7. Juli 2010 (BVerfGE 127, 61) entschieden hatte, dass die Absenkung der Wesentlichkeitsgrenze in § 17 EStG auf 1% insoweit verfassungswidrig ist, als Wertzuwächse der Besteuerung unterworfen werden, die bis zur Verkündung der Gesetzesänderung am 31. März 1999 entstanden waren, begehrte die Klägerin die Berücksichtigung eines Veräußerungsverlustes. Zur Begründung trug sie vor, dass ihre Anteile zum Aufteilungsstichtag einen Wert von 290.000 EUR gehabt hätten. Das Finanzamt setzte demgegenüber einen Veräußerungsgewinn von 0 EUR an.
Das Gericht wies die Klage ab. Ein unter 0 EUR liegender Betrag könne nicht berücksichtigt werden, da der Klägerin tatsächlich kein Verlust aus der Veräußerung ihrer Anteile entstanden sei. Das Bundesverfassungsgericht habe die Gesetzesänderung lediglich insoweit wegen Verstoßes gegen das Rückwirkungsverbot für verfassungswidrig erklärt, als Wertzuwächse erfasst werden, die vor Verkündung des Gesetzes steuerfrei hätten realisiert werden können. Aus der Entscheidung lasse sich nicht entnehmen, dass auch ein fiktiver Veräußerungsverlust bei der Besteuerung zu berücksichtigen sei. Ausgangspunkt der Berechnung sei stets der tatsächlich erzielte Veräußerungsgewinn. Die Revision ist beim Bundesfinanzhof unter dem Aktenzeichen IX R 41/13 anhängig.